Ist das Tragen einer Schuluniform mittlerweile veraltet? Schränkt es die Kinder in ihrer Individualität ein? Wir gewähren euch einen Einblick in unseren englischen Schulalltag mit Uniform.
Um ehrlich zu sein, dachten wir zuerst, dass so eine Schuluniform schon etwas angestaubt und altmodisch ist. Wir kannten das von Österreich ja überhaupt nicht. Die Vorteile haben sich dann aber schnell in der Praxis gezeigt.
Kein Stress am Morgen
Es hat schon Vorteile, wenn man in der Früh kein Outfit zusammenstellen muss. Es gibt keine Diskussion, was angezogen wird. Maximal zwischen langer und kurzer Hose bei Buben bzw. Rock, Kleid oder Hose bei Mädchen kann man noch je nach Wetterlage entscheiden, aber das war es dann auch schon. Vom Poloshirt über die Hose bis zu den schwarzen Schuhen ist eigentlich alles vorgegeben. Oberteile, wie Pullover, Westen oder Blazer sind prinzipiell mit dem Schullogo bestickt. Meist sind auch die Poloshirts mit dem Schullogo versehen, wobei hier – je nach Verordnung der Schule – oft auch auf einfarbig weiße Shirts zurückgegriffen werden kann. Sogar die Schultasche oder Bookbag bekommt man im Look der Schule, wobei es hier – zumindest in unserer Schule – nicht so streng zugeht.
Das Styling muss aber dezent sein. Lackierte Fingernägel, gefärbte Haare oder ausgefallene Frisuren sind tabu. Armbanduhren (keine Smartwatch) und kleine Ohrstecker sind erlaubt, jedoch keine Kreolen, hängende Ohrringe oder weiterer Schmuck.
Man spart sich eine Menge Geld
Es hält sich ja das Gerücht, dass Schuluniformen teuer sind, aber das stimmt nur bedingt. Gerade die Uniformen für die Primary Schools sind noch verhältnismäßig erschwinglich. Man kommt ja lange damit aus, da man keinem Trend folgen muss und auch nicht jeden Tag ein neues Outfit braucht, je nachdem was gerade „in“ ist. Zwei bis drei Garnituren, mehr benötigt man auch schon nicht. Man kann diese auch regelmäßig unglaublich günstig „Second-Hand“ in der Schule kaufen. Oft sind das dann Reserveteile, die noch nie benutzt wurden und sogar noch das Etikett tragen. Diese bekommt man schon ab 1 Pfund pro Shirt. Hosen, das weiße Polo unter dem Pullover und die Schuhe dürfen einfarbig neutral sein und erhält man auch sehr günstig im normalen Handel. In der Regel haben größere Supermärkte sogar eine eigene Abteilung.
Auch wenn man die Uniform komplett neu kaufen will, sind die Kosten im Gegensatz zu Markenartikeln überschaubar: 9 Pfund für ein Poloshirt mit Logo, 12 Pfund für einen Pullover mit Logo, 4 Pfund für eine neutrale Hose oder Rock, 5 Pfund für eine Tasche, usw. Im Prinzip kommt man bei Neukauf mit 100 Pfund locker ein ganzes Jahr aus. Oft zahlt man für eine einzige Markenjeans das Gleiche oder mehr.
Second-Hand kommt man mit ein wenig Glück für unter 15 Pfund ein ganzes Jahr aus.
Bei den Uniformen für die Secondary Schools oder Privatschulen sieht es da schon anders aus. Von den Shirts über die Anzüge mit Krawatten bis hin zu der Sportkleidung muss alles das Schullogo tragen. Jede Schule hat ihre eigenen Farben und Vorgaben.
Update 2021: Nachdem unsere Tochter nun in die Secondary School wechselt, können wir die Preise aus der Praxis teilen:
- Girls Blazer: 40 Pfund
- Girls Jumper: 25 Pfund
- Polo Shirt: 15 Pfund
- Sport Top: 27 Pfund
Diese Artikel brauchen zwingend das Schullogo. Röcke, Blusen, etc. kann man wieder neutral kaufen (grau bzw. weiß).
Da man diese Stücke zumindest doppelt benötigt, liegt man irgendwo bei 300 Pfund für das Komplettpaket zum Start. Aber auch hier gibt es wieder die Möglichkeit, Uniformen über die Schule gebraucht zu kaufen.
Kulturelle Integration, kein Mobbing und Zusammengehörigkeit
Kleidung und vor allem Markenkleidung dient oft als Statussymbol und als Abgrenzung gegenüber anderen oder sozial Schwächeren. Durch die Schuluniform ist zumindest optisch jeder gleichgestellt und es gibt ab dem ersten Tag praktisch keine Ausgrenzung. Die Kleiderordnung stärkt das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit und der Gemeinschaft. Durch das einheitliche Erscheinungsbild wird der Zusammenhalt gestärkt und dadurch Mobbing vorgebeugt. Die Schüler benehmen sich in der Regel auch sehr gut, da sie mit der Uniform die Schule selbst repräsentieren und somit eine Art von Verantwortung übernehmen.
Individualität durch eigene Persönlichkeit
Nicht selten hören wir die Vorurteile, dass das Tragen einer einheitlichen Uniform die Kinder am Ausdrücken ihrer Individualität hindert. Nachdem alle Mädchen und Buben ähnlich aussehen, gäbe es wenig Spielraum für eigene Präferenzen.
Wir können diese Meinung allerdings nicht teilen, denn wir haben sehr gegenteilige Erfahrungen gemacht. Gerade weil unsere Kinder alle das gleiche Outfit tragen, werden sie nicht danach beurteilt. Die Kinder unterscheiden sich durch ihre Persönlichkeit und ihren Charakter statt durch ihr Aussehen. Und dadurch finden sie Freunde, denen es darauf ankommt, dass sie zusammen Spaß haben können, und nicht darauf, ob sie die neuesten Markenklamotten tragen.
Sicherheit bei Ausflügen oder Klassenfahrten
Bei einem Klassenausflug oder Museumsbesuch mit einer großen Gruppe von Schülern kann es schon einmal unübersichtlich werden. Da jedoch alle Schüler gleich angezogen sind, sieht man sofort, wer zur Gruppe gehört. Außerdem können die Kinder auch leichter gefunden werden, wenn sie das Schullogo auf der Kleidung tragen.
Verhalten in der Öffentlichkeit
In den höheren Schulstufen tragen Burschen und Mädchen in der Regel Anzüge mit Krawatte und Hemd bzw. Bluse. Wir haben hier schon oft beobachtet, dass sich diese Schüler sehr gut und anständig verhalten. Es ist ja auch schwer im Anzug herumzulaufen oder unordentlich zu lümmeln, da dieses Outfit einfach viel zu unbequem wäre. Aber auch Leute auf der Straße begegnen Schülern anders, wenn sie einen ordentlichen Anzug tragen statt zerrissener Jeans oder Hotpants – Kleider machen Leute!
Ausnahmen
Es gibt ein paar Tage im Jahr, so genannte „Mufti Days“, an denen man keine Schuluniform tragen muss und in eigener Kleidung erscheinen darf. Das kann jede Schule aber selbst für sich bestimmen.
Am Freitag vor der royalen Hochzeit von Prinz Harry & Meghan, durften zum Beispiel alle Kinder unserer Schule in ihrer schönsten Festtagskleidung zum Unterricht kommen. Da wir ein knappes Jahr zuvor selbst Gäste auf einer Hochzeit waren, waren wir zum Glück noch gut ausgestattet.
Abgesehen davon findet jedes Jahr Anfang März der „World Book Day“ statt, an dem sich die Kinder als ihre liebste Buchfigur verkleiden dürfen. Besonders bunt und vielseitig waren die Outfits auch bei unserem „International Day“, an dem die Kinder traditionelle Kleidung ihrer jeweiligen Kulturen präsentieren durften. Weitere Ausnahmen gibt es oft noch um Halloween oder Weihnachten herum.
Wie strikt sind die Regeln zur Schuluniform?
In der Secondary School sind die Regeln zur Schuluniform sehr strikt.
Ein Beispiel aus der Praxis gefällig? So eine E-Mail kann man erhalten, wenn die Temperaturen im Sommer über 30°C steigen:
Dear Parents and Carers,
As we are expecting very high temperatures this week, students do not need to wear their blazers to school for the rest of this week. They will need blazers from Monday 20th June when it is going to be cooler.
Just a reminder, hoodies or sweatshirts are not part of the uniform and should not be brought into school at any time; they will be confiscated if seen.
Best wishes,
Nachteile der Schuluniform
Im Sommer sind wohl die Schuhe der größte Nachteil. Auch in der Hitze müssen geschlossene, schwarze Schuhe getragen werden und zwar den ganzen Tag, auch in den Klassenräumen. Bei Mädchen kann man noch ein wenig schummeln und sommerliche Modelle wählen, aber unser Sohnemann kommt regelmäßig mit durchnässten Socken nach Hause.
Wenn man gerade am Anfang noch nicht so viele Reserveteile zu Hause auf Lager hat, kann man ganz schön nervös werden, wenn die beiden einzigen gewaschenen Pullover durch einen unglücklichen Zufall hintereinander schmutzig geworden sind. (Ja, das passiert tatsächlich! Der erste Pullover bekommt das Frühstücksjoghurt ab, der zweite die Zahnpasta danach. Aber wir haben dazugelernt und Schulpullover werden erst unmittelbar vorm aus dem Haus Gehen angezogen ;-)). Man darf den Kindern dann nämlich nicht einfach einen eigenen Pullover anziehen, sondern muss sie mit dem bemalten oder (wenn das provisorische Reinigen mit dem Schwamm nicht mehr das erwünschte Ergebnis erzielt hat) fleckigen Oberteil in die Schule schicken.
Unser Fazit und die Meinung unserer Kinder
Wir als Eltern sind mit der Schuluniform sehr glücklich und haben eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Auch unsere Kinder, die Uniformen aus dem Kindergarten in Österreich natürlich nicht kannten, sind sehr glücklich damit. Vor allem bei Mädchen gibt es nun keinen Konkurrenzkampf, wer das schönste Kleid hat, und unsere Tochter findet ihre Gryffindor-dunkelrote Uniform auch richtig cool, da sie an Harry Potter erinnert.
Was ist eure Meinung zur Schuluniform? Könntet ihr euch auch eine Schuluniform in Deutschland oder Österreich vorstellen?